Die abgelaufene Spielzeit glich für den 1. FSV Mainz 05 einer Achterbahnfahrt: Auf das frühe Aus in DFB-Pokal und Europa League folgte ein starker Saisonauftakt, der wiederum eine Durststrecke zur Folge hatte – am achten Spieltag wurde der letzte Hinrundensieg eingefahren. Erst mit der Installierung des neuen Cheftrainers Martin Schmidt im Frühjahr 2015 fand am Bruchweg ein neuer Aufwärtstrend Einzug.
Wirtschaftlich so gut aufgestellt wie nie zuvor geht der Klub aus der 200.000-Einwohner-Stadt ins neue Bundesliga-Jahr. Schmidt vertraut im Gegensatz zu seinem Vorgänger dabei wieder auf die typische Mainz-DNA, bestehend aus Umschaltfußball und Tempo, und setzt in diesem Zusammenhang den Fokus auf den physischen Aspekt seiner Mannschaft.
Stärken und Schwächen
Stärken
Die 05er gehörten im vergangenen Jahr zu den fähigsten Großchancenverwertern der Liga, 56 Prozent markierten diesbezüglich die viertbeste Marke. Okazaki nutzte gar alle seine hundertprozentigen Chancen, doch der Japaner ist bekanntermaßen nicht mehr da. Eine Herausforderung für Niederlechner und Co.
Nach Standards kam es 154-mal zu einem Abschluss, in 18 Fällen sprang ein Tor heraus. In diesem Ressort haben die Mainzer nur gegenüber Leverkusen das Nachsehen. Die bisherige Vorbereitung deutet darauf hin, dass die Konter zum scharfen Angriffsinstrument werden könnten. Zumindest scheinen die Flügelspieler, allen voran Jairo und Christian Clemens, die Abläufe verinnerlicht und das Verhalten gegen den Ball gut einstudiert zu haben. Beide traten auch in der ersten Runde des DFB-Pokals (3:0 in Cottbus) als Torschützen in Erscheinung.
Die Abwehrabteilung ist ebenfalls eingespielt. Die unter der Federführung von Schmidt etablierte Viererkette (Brosinski, Bungert, Bell, Park) wurde nicht auseinandergerissen, eine Linie dahinter erwies sich Torhüter Loris Karius abermals als bärenstarker Rückhalt und parierte 2014/15 knapp Dreiviertel aller Schüsse.
Schwächen
Obschon das Team auf den Außenbahnen gut besetzt ist, so schlug sich diese Qualität im letzten Jahr nicht in Flankentoren nieder. Die Hereingaben von außen führten zu lediglich drei Treffern, unterboten nur vom1. FC Köln.
Zudem sehr auffällig: Führungstreffer brachten nicht unbedingt mehr Sicherheit ins Spiel. 16-mal lag der FSV in der Vorsaison vorne, nur in der Hälfte aller Fälle wurde ein Dreier eingefahren. Die entsprechenden Gegentore sind dabei sicherlich das ein oder andere Mal nach einem ruhenden Ball gefallen: 17-mal klingelte es nach gegnerischen Standardsituationen im Mainzer Kasten – das bedeutete 2014/15 den vorletzten Platz in dieser Kategorie.
So wichtig das ureigene Umschaltspielsystem auch ist, einen Plan B gilt es noch ins Repertoire aufzunehmen, um auch gegen tief stehende Teams einen Lösungsansatz vorweisen zu können.
Sportliche Führung
Im Februar übernahm Martin Schmidt, damaliger U23-Trainer, das Amt des dänischen Chefcoaches Kasper Hjulmand, dessen Versuch, einen von Ballbesitz und Dominanz geprägten Spielstil zu etablieren, nicht von Erfolg gekrönt war. Unter dem Neuen erfolgte sodann die Abkehr vom Hjulmand-Stil hin zum aggressiven und temporeichen Umschaltfußball. Die Maßnahme brachte in den letzten 13 Bundesliga-Spielen der Vorsaison 18 Punkte ein. Besonders überzeugend aber auch die Außendarstellung des 48-Jährigen, der mit seiner Begeisterungsfähigkeit Mannschaft wie Anhang ansteckte.
Nun startet Schmidt zum ersten Mal von Beginn an in eine Bundesliga-Runde. Besonderen Wert legt er auf die physische Verfassung seiner Mannen, die für sein Spielsystem von essenzieller Bedeutung ist, wie er jüngst gegenüber dem "kicker" betonte: "Die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich physisch in einem Spiel zu verausgaben, sind der Markenkern unseres Spiels und des Fußballs von Mainz 05."
Der Strippenzieher am Bruchweg schlechthin, Manager Christian Heidel, sorgte in den letzten Jahren immer wieder aufs Neue dafür, dass der Verein ein Stückchen besser für die Zukunft aufgestellt ist. Seiner Auskunft im "kicker"-Interview zufolge könnte der Klub dieses Jahr an der Umsatzmarke von 100 Millionen Euro kratzen.
Heidels jüngster Coup: Eine auf zehn Jahre angelegte Partnerschaft mit Vermarkter Infront, die eine Mindestsumme von 250 Millionen Euro einbringt – für den Vertragsabschluss gab es zehn Millionen Euro zusätzlich als Bonus. Der Deal ist auch im Falle eines Abstiegs gültig, allerdings mit einem angepassten Garantieniveau.
Testspiele
Die Rot-Weißen feierten in der Vorbereitung einige Torfeste gegen kleinere Teams, allen voran beim 27:1 gegen TuS Framersheim. In den etwas aussagekräftigeren Härtetests schnitten die Rheinhessen durchwachsen ab. Gegen AS Monaco setzte es eine 1:5-Klatsche, gegen Lazio Rom wiederum gelang ein 3:0-Erfolg. Dem AS Saint-Étienne wurde immerhin ein 1:1 abgetrotzt.
Neuzugang Niederlechner erzielte grundsätzlich die meisten Treffer (7) für seine Farben, die Tore fielen aber allesamt in der ersten Halbzeit gegen Framersheim. Beister (6) netzte ebenfalls ausschließlich gegen die Kleinen ein. Jairo (5) und Clemens (3) dagegen trafen auch gegen die stärkeren Kontrahenten.
kicker-Managerspiel
Für einen Preis von 2,8 Millionen Euro ist Keeper Loris Karius eine sehr gute und günstige Option. Auch hier kosten die Ersatzkeeper keine Unsumme, was das Paket noch attraktiver macht.
In der Abwehr sticht Stefan Bell für 2,5 Millionen Euro mit einem guten Punkteschnitt hervor, auch Niko Bungert für 500.000 Euro weniger ist eine Option.
Im Mittelfeld darf man sich mit Regisseur Yunus Malli für 2,0 Millionen Euro beschäftigen - stellt dieser seine Leistungsschwankungen ab, dann ist er ein Kandidat für die 100-Punkte-Grenze. Neben Malli ist auch der neue Kapitän Julian Baumgartlinger für einen Preis von 1,8 Millionen Euro ein Kandidat für das eigene Team.
Fazit
Mainz 05 wird beinahe Jahr um Jahr durch die notwendige Geschäftspraktik respektive Personalpolitik sportlich zurückgeworfen. Was dennoch für den Klub spricht: Seit dem Aufstieg im Jahr 2009 stand der Verein nicht einen einzigen Spieltag auf einem Abstiegsplatz, erwischte zumeist gleich einen guten Start im Oberhaus.
Die Rückkehr des aggressiven Umschaltfußballs am Bruchweg dürfte auch in dieser Spielzeit als Rüstzeug genügen, um dem Abstiegsgespenst aus dem Weg zu gehen. Um sich demgegenüber in der Grauzone zwischen Abstiegsbereich und Europacupplätzen nach oben zu bewegen, muss das Spielsystem verfeinert werden.