RB Leipzig
1. Bundesliga
Rangnick sieht dringenden Redebedarf

NevenX

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Nach der Auftaktniederlage in der Europa League gegen Red Bull Salzburg hängt bei RB Leipzig der Haussegen etwas schief. Zum wiederholten Male müssen die Verantwortlichen des Bundesligisten gegen Undiszipliniertheiten einzelner Akteure ankämpfen.

Vorgefallen sind laut Rangnick im Vorfeld der Begegnung "Dinge, die erklären, warum einige Spieler gestern offensichtlich nicht bereit waren für dieses Spiel. Dinge, die erklären, warum Spieler in der Halbzeit ausgewechselt wurden. Dinge, die, wenn ich sie gestern schon gewusst hätte, dazu geführt hätten, dass wir gestern keinen Dreifachwechsel gemacht hätten in der Halbzeit , sondern womöglich schon mindestens einen Zweifachwechsel vor dem Spiel. Aber ich habe sie leider erst heute erfahren, deswegen ist das Spiel dann letztlich so gelaufen, wie es gelaufen ist."

Der "Bild"-Zeitung zufolge hielten sich mit Jean-Kévin Augustin und Nordi Mukiele zwei Akteure nicht an die Regeln und zeitlichen Abläufe. Das Duo soll demnach beim Umziehen gefehlt haben und zunächst vergeblich von den Mitspielern gesucht worden sein. Diese sollen die Franzosen dann auf der Trainerbank angetroffen haben, wo beide Akteure mit ihren Handys beschäftigen gewesen seien.

Ohne explizit Namen zu nennen, führt Rangnick aus: "Wir haben zum Beispiel die Regel seit dieser Saison, und haben die bisher auch strikt versucht einzuhalten, dass ab dem Moment – egal ob heim oder auswärts–, wenn wir den Kabinenbereich und das Stadion betreten, dass absolutes Handyverbot herrscht. Dass kein Handy in Betrieb sein oder benutzt werden darf – weder in der Kabine noch im Stadioninneren oder sonst wo. Daran haben sich, dachte ich, bisher alle daran gehalten. Dann gibt es natürlich klare Regelungen, wann die Jungs rausgehen zum Warmmachen mit dem Athletiktrainer. Gestern sogar in schriftlicher Form, weil wir ja zum ersten zu einer Uhrzeit gespielt haben, zu der wir noch nicht gespielt haben. deswegen stand es sogar schriftlich: Verlassen der Kabine zum Warm-up um 20:18 Uhr, dass dann spätestens zehn Minuten vorher auch alle soweit sind, dass sie Rausgehen."

"Wir haben ja seit jetzt einem Jahr in dem früheren Konferenzraum einen Warm-up-Raum neu geschaffen, wo sich die Jungs dann dort auch schon vorbereiten, aufdehnen, die Aktivierung machen können – sei es mit Blackrolls, oder einfach selber den Ball hochhalten, sich ein paar Pässe zuspielen und schon einmal anfangen können, sich aufzudehnen. Und dann geht es normalerweise gestern um 20:18 Uhr mit der gesamten Mannschaft dann letztlich auch raus zum Warmmachen. Und dann sind wir normalerweise eine Viertelstunde vorher wieder in der Kabine und dann laufen da unter anderem die letzten Ansprachen und Ansagen zur Mannschaft."

Augustin und Mukiele sollen laut "Bild" durch ihren Aufenthalt auf der Trainerbank erst mit ein paar Minuten Verspätung zu ihren Kollegen zum Aufwärmen auf den Rasen gestoßen sein.

"Fassen kann man es nicht. Ich kann es bis heute noch nicht fassen, aber das hat etwas mit Abläufen zu tun vor dem Spiel, mit Vorbereitung auf ein Spiel, mit klaren Regeln, die wir in den letzten drei Monaten glaube ich bis zum Abwinken in die Mannschaft reingetrommelt haben, die aber offensichtlich gestern ignoriert wurden. Und deswegen erklärt es sehr, sehr vieles. Zumal das letztlich auch der Rest der Mannschaft mitbekommen hat und deswegen erklärt es sicherlich nicht alles, aber sehr, was gestern passiert ist."

"Ich glaube, dass sehr viele Spieler genau wissen, um was es geht. Auch die große Mehrzahl von Spielern, aber offensichtlich eben immer noch nicht alle. Das gestern war Musterbeispiel dafür. Man braucht sich nur mal angucken, wie sich manche Spieler in der ersten Halbzeit bewegt haben."

Über die Darbietung gegen Salzburg, insbesondere dem ersten Abschnitt der Partie, monierte Rangnick: "Wir haben zwei Tore kassiert, die quasi Eigentore waren, obwohl wir uns fünf Tage lang mit dem Matchplan beschäftigt und gesagt haben: Keine Querpässe von Außen nach Innen in die Mitte des Spielfelds. Nordi Mukiele spielt dann trotzdem 20-Meter-Querpass ins Mittelfeld, Stefan Ilsanker spielt diesen dann auch noch direkt nach hinten Richtung eigenen Torwart. Alles was danach passiert ist, sah dann aus wie Comedy statt wie ein ernstzunehmendes Europa-League-Spiel. Das zweite Tor war dann nicht mehr schwer am Schluss. Da war nur noch die Frage: Wer von den freien Spielern schießt den Ball dann rein? Aber dass man nach 20 Minuten in eine Drei-zu-eins-Situation war und andere Spieler einfach stehen bleiben, passte ins Bild."

"Das Ganze ist ja dann logischerweise eine negative Kettenreaktion, wenn auch der andere Teil der Mannschaft mitkriegt, dass sich Spieler eben nicht 100 Prozent mit dem Spiel beschäftigen und sich nicht so vorbereiten, wie es sich gehört vor dem Spiel. Dann hat es natürlich dann, wenn das Spiel so einen Weg nimmt und solch eine Chronologie erlebt, wie sie es gestern getan hat, hat es natürlich auch Auswirkungen auf den Rest der Mannschaft. Bei Salzburg wollten alle gestern dieses Spiel gewinnen. Es wollten alle zeigen, wie gut sie sind. Bei uns wollten das sechs, sieben, vielleicht auch acht, aber es gab eben auch Spieler, die das nicht wollten."

"Ich habe mir eigentlich die ganze Nacht einen Kopf darüber gemacht, ob wir die Aufstellung so ganz richtig gewählt haben. Klar, die drei Verletzten waren nicht vorhersehbar. Die sind im Prinzip einen oder zwei Tage vorher herauskristallisiert. Aber Bruma in die Spitze zu stellen und vorne Mukiele auf hinten links, war meine Entscheidung. Es hätte theoretisch Alternativen gegeben, die dann bedeutet hätten, dass Yussuf Poulsen oder Marcel Halstenberg das erste Mal nach acht Monaten wieder gespielt hätte. Wir haben uns anders entschieden, weil ich diesen Spielern zugetraut habe, auf dieser Position eine gute Rolle zu spielen, aber offensichtlich haben sie diese Rolle und auch dieses Spiel eben nicht so angenommen und auch nicht so ernst genommen, wie sich das gehört hätte. Dann kann sich so ein Spiel daraus entwickeln. Ich kann mich in meiner Trainerkarriere an so ein Spiel wie diese ersten 45 Minuten nicht erinnern. Wenn es da Bewertungsskalen geben würde in Noten, dann müsste man neue Kategorie erfinden. Mir fällt zu dem, was wir in der ersten Halbzeit gestern gespielt haben, keine Kategorisierung ein."

Im Bestreben, den Spielern die notwendige Professionalität zu lehren, wolle man von der bisherigen Route nicht abweichen. "Wir werden das gleiche machen, wie wir jetzt schon seit drei Monaten machen. Wir werden Spieler behandeln, wie sie behandelt werden müssen. Nur ich mache eigentlich seit drei Monaten nicht viel anderes. wir sind seit drei Monaten hinterher, dass dort eine Bewusstseinsveränderung erzeugt wird. Nur ich habe es leider erst heute morgen erfahren und nicht gestern eine Stunde vor dem Anpfiff, weil dann hätte es gestern eine Stunde vor dem Anpfiff schon zwei Änderungen auf dem Spielberichtsbogen gegeben, bevor der Spielberichtsbogen unterschrieben worden wäre."

Über die Strafen für die Betroffenen wurde indes noch nicht entschieden. "Das werden wir sehen, ob sie nicht im Kader stehen. Weil wir müssen ja schon einmal schauen, wie viele gesunde Spieler wir noch haben. Ob sie auf dem Platz stehen ist ein anderes Thema, aber werden die Geschichte entsprechend behandeln und sanktionieren."

"Selbstverständlich werden wir nach allem was jetzt gestern auch noch passiert, was mir heute zu Ohren gekommen ist, werden wir darauf reagieren und versuchen die Elf ins Rennen zu schicken, von der wir wissen, dass wir uns zu 100 Prozent auf sie verlassen können und zwar ganz egal, ob es ein Europa-League- oder Bundesligaspiel. Was natürlich völlig pervers und völlig unlogisch ist: Wir fliegen kreuz und quer durch Europa, nach Schweden, Rumänien und in die Ukraine, um uns für den Wettbewerb zu qualifizieren, und dann meinen einige Spieler offensichtlich, dieses Spiel sei lästige Pflicht: 'Eigentlich will ich ja gar nicht, aber wenn wir schon mal hier sind, dann gehe ich eben auch auf dem Platz.' Das ist völlig unlogisch. Man lernt auch mit 60 Jahren offensichtlich als Trainer noch nicht aus und wir werden uns sicherlich dem Thema mit Nachdruck annehmen und versuchen, die Spieler nachhaltig auf Spur zu bringen. Und sei es auch durch Erziehungsprozesse, die auch innerhalb der Mannschaft heraus kommen."

"Alleine wenn ich gestern höre, wie viele Spieler sich unisono ähnlich geäußert haben, egal ob das ein Diego Demme, Yussuf Poulsen oder Marcel Sabitzer war. Die haben ja, ohne dass sie voneinander wussten, im Prinzip die gleiche Interpretation gehabt von dem Spiel. Dass es Spieler gab, die nicht wussten, worum es geht. Ich kann dem nur beipflichten. Wir müssen zukünftig sicherstellen, dass in jedem Spiel Spieler auf dem Platz stehen, die wissen, worum es geht."

Über allgemeine Undiszipliniertheiten sagte Rangnick: "Wir haben da schon die letzten drei Monate nicht umsonst, dafür gab es ja letzte Saison schon diverse Anzeichen, da auch einen ganz großen Fokus und Schwerpunkt darauf gelegt. Ich persönlich dachte, dass wir da jetzt schon einen gehörigen Schritt weiter sind, aber offensichtlich muss ich da meine Meinung revidieren, seit gestern zumindest mal. Wir müssen noch mehr den Fokus drauf richten, weil das hat dann auch mit taktischen Umsetzungen von Aufgaben zu tun, denn sie können mal fest davon ausgehen, dass gerade ich vor dem Spiel wusste, was in dem Spiel auf uns zukommt. Wir haben fünf Tage lang kein einziges Detail außer Acht gelassen und so ziemlich auf alles geachtet. Jetzt im Rückblick, mit dem Wissen, das ich heute habe, würde ich auf drei Positionen wahrscheinlich anders aufstellen."

Die Gefahr, dass sich die Vorkommnisse auch auf die Leistung der Mannschaft für die Bundesligabegegnung mit Eintracht Frankfurt negativ auswirken könnte, sieht der Fußballlehrer nicht. "Ich glaube, wenn wir die richtigen Elf am Sonntag auf den Platz schicken, dass wir eine klare Reaktion sehen und zeigen werden."