In Beitrag Nummer vier der Vorschauserie zum Bundesligastart geht es um Hertha BSC. Die Alte Dame konnte sich in der abgelaufenen Spielzeit so eben gerade ins Ziel – dass da lautete: Klassenerhalt – retten, landete nur aufgrund des besseren Torverhältnisses einen Platz vor dem Relegationsteilnehmer Hamburger SV. Nun will und muss sich der Hauptstadtklub, der noch vor sechs Jahren in höheren Sphären schwebte (2008/09: Platz 4), insbesondere in spielerischer Hinsicht neu aufstellen. Trainer Pál Dárdai will künftig eine neue Mentalität und eine andere, offensivere Art von Fußball sehen.
Stärken und Schwächen
Stärken
Das Team aus der Hauptstadt zeichnete sich in der abgelaufenen Saison in erster Line durch Effizienz aus. 58 Prozent der Großchancen wurden verwertet (ligaweit Platz 3), summa summarum fand jeder neunte Schuss den Weg in die gegnerischen Maschen (6). Dabei erzielten die Berliner Profis starke 42 Prozent der Treffer (15) nach Standards – ligaweit der zweithöchste Anteil.
Noch auffälliger war demgegenüber Herthas Abwehrstärke. Die Defensive erlaubte sich speziell nach Amtsantritt von Coach Dárdai kaum einen Patzer und kassierte in 15 Partien unter dessen Federführung nur 14 Gegentore. Darüber hinaus war die Elf stets gut abgesichert: 21 zugelassene Torschüsse nach gegnerischem Konter markierten den Bestwert im Oberhaus.
Schwächen
Die Angriffsabteilung war beziehungsweise ist das große Sorgenkind. Die Blau-Weißen verloren das Leder oft sehr schnell, spielten in 30 Prozent der Fälle dem Kontrahenten den Ball zu und hatten im Schnitt 42 Prozent Ballbesitz – so selten wie kein anderer Bundesligist in der Vorsaison.
Ein weiterer Tiefstwert 2014/15: 298 Torabschlüsse. Die Möglichkeiten wurden zwar effektiv genutzt, aber die Berliner prüften die gegnerischen Keeper viel zu selten. Nur 36 Saisontore sprangen für die Alte Dame heraus, Torjäger Schieber reichten etwa sieben Treffer, um die vereinsinterne Torschützenkanone zu erobern.
Seit Dárdai verantwortlich zeichnet, blieb den Zuschauern in der Regel ein Fußballspektakel verwehrt, durchschnittlich fielen 1,73 Tore pro Partie mit Berliner Beteiligung. In der Bundesliga-Geschichte weist kein Cheftrainer einen niedrigeren Toreschnitt auf.
Außerdem brauchte das Team stets seine Anlaufzeit: In der Anfangsviertelstunde aller 34 Partien in der Beletage gelang ein einziger Treffer.
Sportliche Führung
Im Februar wurde Berlins Urgestein (fast 20 Jahre im Verein) und damaliger U15-Trainer Pál Dárdai von Manager Michael Preetz – ebenfalls ein Hertha-Urgestein – als Nachfolger Jos Luhukays auserkoren. Zunächst nur eine Interimslösung, ist der Ungar mittlerweile mit einem unbefristeten Vertrag als Cheftrainer ausgestattet.
Er injizierte seinem Aufgebot Laufbereitschaft und Widerstandskraft, suchte erst gar nicht die offensive Lösung, weil das Team sie nicht in ausreichendem Maße hergab. 14 Gegentoren in 15 Spielen standen maue zwölf erzielte Treffer gegenüber.
An der auf der Strecke gebliebenen Offensive gilt es für Dárdai nun zu arbeiten, es geht darum, Struktur und ein Spielkonzept zu etablieren. Aufbauend auf seinem Defensivkonzept will er dabei auf extreme Fitness setzen, diese sei "die Basis für alles", ist der ehemalige Nationaltrainer Ungarns überzeugt. Fitness als Grundstein für Leistungsfähigkeit, gleichzeitig aber auch als Vorkehrung: "Ich will nicht wieder 120 verletzte Spieler haben wie zuletzt", knausert Dárdai und zieht die Lehren aus dem letzten Jahr, als eine Flut an Blessuren den Kader überschwemmte.
Testspiele
Hertha BSC hat neun Testpartien hinter sich, von denen fünf gewonnen wurden. Die Probeläufe gegen etwas namhaftere Teams wie FC Genua (0:2) oder Rayo Vallecano (0:1) gingen allerdings verloren, Fulham trotzte man zumindest ein 2:2 ab.
Als ein Gewinner der Vorbereitung darf sich Jens Hegeler fühlen. Der zum Teil schon als Fehleinkauf abgestempelte Mittelfeldspieler avancierte mit fünf Treffern neben Allagui zum besten Testspieltorschützen des Teams und stand in acht der neun Partien von Beginn an auf dem Platz.
kicker-Managerspiel
Einer der interessantesten Kandidaten im aktuellen Hertha-Kader für den Preis von 2,2 Millionen Euro ist sicherlich Neuzugang Vladimir Darida, der trotz der Abstiegssaison und einem zwischenzeitlichen Formtief noch 60 Punkte sammeln konnte. Bereits in Freiburg war er ein Kandidat für die Elfmeter, das macht ihn doppelt interessant.
Auch Valentin Stocker punktete in seiner ersten Saison bei der Hertha nicht schlecht, selbst wenn er zu Saisonbeginn nicht gesetzt war. 3 Tore und 9 Vorlagen ist eine ordentliche Bilanz. Spielt die Hertha eine erfolgreiche Saison, ist der 2,5 Millionen Euro teure Schweizer möglicherweise eine lohnende Investition.
Fazit
Im Zuge seines Rettungsauftrags ging es darum, der Mannschaft im Abstiegskampf Vertrauen zu schenken, aber "jetzt muss ich zeigen, dass ich mehr bin als ein Retter", kündigt Hertha-Trainer Dárdai an. Schafft der noch recht bundesligaunerfahrene Coach das? Immerhin darf er darauf hoffen, dass sich Vorjahreszugänge stabilisieren.
Auf der anderen Seite muss das Team ein neues System erlernen, vielleicht auch eine neue Hierarchie aufbauen, was durchaus seine Zeit in Anspruch nimmt. Dárdais selbstbewusste Prognose, Hertha BSC lande letzten Endes "auf einem Platz im gesicherten Mittelfeld", zeugt jedenfalls von Optimismus.