FC Bayern München | 1. Bundesliga

Bayern stellt Weichen für die Zukunft

23.01.2015 - 11:00 Uhr Gemeldet von: Kristian Dordevic | Autor: Kristian Dordevic

Betrachtet man die letzten Neuverpflichtungen des FC Bayern München, so sprechen diese eine relativ eindeutige Sprache: Der Rekordmeister bläst im Bereich der Top-Talente zur Attacke. Allerdings beschränkt sich diese Unternehmung nicht auf einzelne Transfers. Der Verein plant den Bau eines Nachwuchszentrums, welches bis 2017 unweit der Allianz Arena entstehen soll.

Ein eher in den Hintergrund rückender Grund für die Umstrukturierung und die damit einhergehende örtliche Verlagerung ist der Platzmangel auf dem aktuellen Gelände. Je nach Uhrzeit müssen sich derzeit bis zu vier Jugendmannschaften einen Platz teilen. Diese sollen nun einen Campus mit eigenem Stadion erhalten. Eine kleine Allianz Arena, wenn man so will.

Keine U19-Europameister beim FCB

Primär sind die Verantwortlichen jedoch unzufrieden mit der jüngsten Bilanz im Jugendbereich. Die letzte Meisterschaft der A-Jugend liegt über zehn Jahre zurück, die der B-Mannschaft datiert immerhin aus dem Jahr 2007. Dem FCB II will der Aufstieg in die 3. Liga nicht gelingen und in der Youth League, dem U19-Pendant der Champions League, landete der Bayern-Nachwuchs zuletzt mit vier Niederlagen nur auf Gruppenplatz 3. Unter den amtierenden U19-Europameistern des DFB findet sich darüber hinaus nicht ein einziger Bayern-Akteur. "Das gefällt mir nicht", konstatiert Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge kurzum und kündigt an, im Nachwuchsbereich von nun an Vollgas geben zu wollen. "Davon kann jeder in der Liga ausgehen."

Das Zeichen an die Konkurrenz ist angekommen. Aber was den Großangriff auf die Talente angeht, erntet der Bayern-Boss dafür auch Kritik. "Wenn man die Talente aber erntet, bevor sie reif sind, weiß ich nicht, ob das dem deutschen Fußball guttut", wurde beispielsweise Gladbach-Manager Max Eberl jüngst in der "SportBild" zitiert. Sicherlich spielte bei dieser Einschätzung der Weggang der talentierten Nachwuchskraft Sinan Kurt (18) im Sommer eine nicht zu vernachlässigende Rolle, waren die Fohlen durch die Bayern-Offensive doch direkte Leidtragende.

Hoeneß/Reschke für neue Talente

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Ein von Sinan Kurt (@sinan_kurt_24) gepostetes Foto am

Bei der Umstrukturierung des Jugendbereichs wird auch Uli Hoeneß wieder eine Rolle spielen. Der Ex-Präsident ist seit dem 2. Januar dieses Jahres Freigänger und wird als Assistent der Abteilungsleitung Juniorteam wichtiges Know-how und Erfahrung in die Unternehmung bringen. Als Abteilungsleiter fungiert Wolfgang Dremmler, Hoeneß tritt nach außen lediglich als "Assistent der Abteilungsleitung Juniorteam" in Erscheinung. Doch beim FCB baut man auf die immer noch vorhandene Strahlkraft des 63-Jährigen - gerade im Werben um neue Talente.

Die zweite Schlüsselrolle im Hinblick auf das Erspähen neuer Nachwuchshoffnungen kommt Michael Reschke zu, der vor der Saison als Technischer Direktor aus Leverkusen rekrutiert wurde. Er soll in München an die erfolgreiche Arbeit beim Werksklub anknüpfen, wobei die Bayern insbesondere auf sein aufgebautes Netzwerk setzen.

Mit U19-Trainer Heiko Vogel, der bis 2012 beim FC Basel Chef-Trainer war, und Ex-Nationalspieler Michael Tarnat als Nachwuchsleiter wartet der FCB mit weiteren namhaften Personalien auf. Als Sportvorstand steht Matthias Sammer dem Ganzen natürlich als ständiger Ansprechpartner vor. Schon in der Hinrunde hatte Sammer wöchentliche Sitzungen mit den Jugendchefs abgehalten.

Die bayerische Verjüngungskur

Der nächste wichtige Faktor ist FCB-Trainer Pep Guardiola, erklärter Fan der Nachwuchsfußballer. Unter seiner Federführung kamen Thiago (23) und Juan Bernat (21) als spanische U21-Spieler nach München, des Weiteren wurden die Transfers von Sinan Kurt und Joshua Kimmich (19) realisiert. Letzteren ließen sich die Verantwortlichen stolze 8,5 Millionen Euro kosten.

Auch Gerüchte über ein Interesse am Leverkusener Julian Brandt (18) machen seit Neustem die Runde. Um das norwegische Talent Martin Ödegaard (16) veranstalteten die Rot-Weißen ebenfalls ein Tauziehen, welches jedoch schließlich Real Madrid für sich entscheiden konnte. Dafür wurde im Winter mit dem österreichischen Angreifer Flavius Daniliuc (13) ein begabter Youngster aus der spanischen Hauptstadt losgeeist.

Vom aktuellen Bayern-Nachwuchs begeistern den Coach Lucas Scholl (18) und vor allem Gianluca Gaudino (18), der am ersten Spieltag gegen Wolfsburg seinen Bundesliga-Einstand feierte und im Dezember sogar in der europäischen Königsklasse debütierte. Nach guten Testspielen hat es womöglich auch Mitchell Weiser (20) wieder auf den Zettel des Katalanen geschafft. Auf diesem dürfte Daniels Ontuzans (14) noch nicht stehen, aber Guardiola ließ den jungen Mittelfeldspieler letztes Jahr zumindest schon mal bei der Profimannschaft mittrainieren.

Juwelen vergangener Tage

Der letzte Nachwuchsdurchstarter bei den Bayern war David Alaba (22). Ähnlich wie Toni Kroos (25) oder früher auch Philipp Lahm (31) sammelte der Österreicher zunächst Spielpraxis als Leihspieler (Hoffenheim), ehe ihm vor gut drei Jahren der endgültige Durchbruch beim 23-maligen Meister glückte. Derzeit schickt sich der an den FC Augsburg ausgeliehene Pierre Emile Hojbjerg (19) an, der Nächste in der Reihe zu werden. Für Julian Green (19), derzeit auf Leihbasis in Diensten des Hamburger SV, trägt die Strategie aber offenbar keine Früchte.

Die letzten Eigengewächse, die dagegen ohne zwischenzeitlichen Ortswechsel als Jungspunde den dauerhaften Sprung in die Profimannschaft schafften, waren Holger Badstuber (25) und Thomas Müller (25). Badstuber ist seit 2002 ununterbrochen im Verein, Müller gar seit 2000. Es ihnen gleich zu tun, wird in einer zunehmend mit Superstars gespickten Mannschaft mittlerweile jedoch zu einem Ding der Unmöglichkeit. Nichtsdestotrotz betont Reschke in diesem Zusammenhang, dass sich die Verleihpolitik beim amtierenden Meister nicht zum Prinzip entwickeln, sondern stets das Ergebnis einer Einzelfallabwägung bleiben soll.

Kernpunkt der Umstrukturierung

Kernpunkt der Umstrukturierung

Guardiolas Bedeutung für den Zukunftsplan erschöpft sich mitnichten in der Realisierung bestimmter Transfers, es geht um viel mehr. Ausgehend vom Profilager sollen möglichst einheitliche Trainingsübungen und ein übergreifendes System eingeführt werden. Dabei geht es weniger darum, eine konkrete Formation auf dem Feld anzunehmen, sondern um die Spielphilosophie im Allgemeinen: Überlegene, teils erdrückende Art des Spielaufbaus, durch Kurzpassspiel geprägter Ballbesitzfußball und zügige Rückeroberung des Balles sollen zu den tragenden Säulen des Spiels werden und sich durch alle Altersebenen ziehen. Am Ende steht ein FC Bayern, dessen Art, Fußball zu spielen, Wiedererkennungswert besitzt.

Gelingt dies alles, könnten Anpassungsschwierigkeiten in puncto Spielsystem und Training für nachrückende, junge Spieler so gut wie möglich ausgemerzt werden. Aufgrund der Homogenisierung der Trainingsmethoden – von der U13 bis nach ganz oben – kann ein Nachwuchsspieler beim Probetraining mit den Profis gleich zu Werke gehen, ohne sich großartig etwas erklären lassen zu müssen. Für Guardiola besteht in Zukunft die Idealkonstellation einer Mannschaft aus etwa achtzehn gestandenen Profis und fünf oder sechs Talenten.

Ob dem Verein das Unterfangen so wie gewünscht gelingt, wird die Zeit zeigen. Eines ist jedoch sicher: Die Abteilung Attacke ist zurück beim FC Bayern. Während der Ära von Lahm, Schweinsteiger & Co. wurde einst die Parole ausgegeben, so viele deutsche Nationalspieler wie möglich im Verein versammeln zu wollen. Diesmal setzen die Verantwortlichen mit ihrer Ansage im Jugend- und Nachwuchsbereich ein paar Stufen darunter an.