Die dritte Mannschaft im Countdown zur Bundesliga 2015/16 ist der Hamburger SV. Das noch nie abgestiegene Gründungsmitglied der Liga steht in seiner 53. Saison im Oberhaus vor dem Neuanfang, wieder einmal. Bundesweit hat der Dino in den letzten Jahren durch den greifbaren Verlust des Alleinstellungsmerkmals der ununterbrochenen Ligamitgliedschaft an Ansehen eingebüßt, die neuen Verantwortungsträger Dietmar Beiersdorfer (Vorstandsvorsitzender) und Peter Knäbel (Direktor Profifußball) haben die Wende in ihrem ersten Jahr nicht einleiten können.
Und wieder einmal ist auch der Glaube daran, dass dieses Mal vieles besser wird, vorhanden. Die neue Identität und Kultur, die Beiersdorfer eigentlich schon bei Amtsantritt im letzten Sommer gefordert hatte, scheint mit den von Trainer Bruno Labbadia vertretenen Werten gefunden. Einfacher als seine Vorgänger wird es der gebürtige Darmstädter, der in acht Partien (sechsmal Liga und zweimal Relegation) die Hoffnung an die Elbe zurückbrachte, nichtsdestotrotz gewiss nicht haben.
Nicht mehr an Bord sind unter anderem Rafael van der Vaart, Heiko Westermann und Marcell Jansen – allesamt prägende Figuren der hanseatischen Vergangenheit, ob nun im positiven oder negativen Sinne. Auch der als Aggressive Leader verpflichtete Valon Behrami hat den Verein nach einem Jahr verlassen.
Der Kader hat einen Einschnitt erlitten, nicht nur vor dem Hintergrund, dass das Gehaltsniveau von über 50 Millionen Euro auf knapp über 40 Millionen Euro gedrückt werden sollte. Die Rothosen brauchen eine neue Hierarchie. "Wir müssen eine ganz neue Achse bilden", wurde etwa Torhüter René Adler im "kicker" zitiert. Eine Aufgabe, für die seitens des Aufsichtsrats nach "Sport Bild"–Angaben in der Summe ein Ausgabenvolumen in Höhe von rund fünf Millionen Euro genehmigt wurde. Schnell habe man festgestellt, "dass wir nicht alles machen können, was wir machen wollten", räumte Knäbel in diesem Zusammenhang ein. Beileibe ein Unterschied zum letzten Jahr, als der Dino das Geld recht locker sitzen hatte.
Gleichwohl konstatierte der Direktor Profifußball, dass man für den neuen Plan, "junge Spieler zu entwickeln", allen Widrigkeiten zum Trotz nun mal Stabilisatoren benötige respektive ins Boot holen müsse. Einer dieser künftigen Leuchttürme soll Neuzugang Emir Spahic sein. Der ablösefrei gekommene Bosnier ist zugleich so etwas wie ein Sinnbild: Nach seiner Suspendierung aufgrund des Prügeleklats wird der weitere Werdegang des Innenverteidigers, ebenso wie der des HSV, mit Argusaugen verfolgt.
Auch bei Gotoku Sakai witterte der Nordklub ein gutes Geschäft. Unter Labbadia erlebte der Außenverteidiger – letzte Saison weitgehend eine Enttäuschung – 2013 seine Glanzzeit in Stuttgart. "Sakai kann zwei Positionen abdecken, rechts wie links", erläuterte der Hanseaten-Coach in der "Sport Bild" die Vorzüge des Japaners.
Weitere, mit einem Fragezeichen versehene Neulinge: Albin Ekdal, dessen Erfahrung in der Serie A keine Garantie für ein erfolgreiches Engagement in der Bundesliga ist, wie der Fall Behrami zeigt, und Batuhan Altintas, bei Bursaspor beinahe ein Jahr ohne Spielpraxis.
Die zuletzt erfolgten Transfers von Sven Schipplock und dem vielversprechenden Michael Gregoritsch sollen der Sturmabteilung Leben einhauchen.
Aktuell weist der Kader eine Stärke von 31 Spielern (Altersschnitt: 25,32) auf, jedoch gelten beispielsweise Jacques Zoua und Artjoms Rudnevs noch als Abgangskandidaten.
Stärken und Schwächen
Stärken
Auf die Torhüter beim Hamburger SV ist wieder Verlass, sowohl Adler als auch der zeitweilige Vertreter Jaroslav Drobny wussten sich in der vergangenen Spielzeit auszuzeichnen. Gesamtwert der beiden Goalies: Über 70 Prozent der Schüsse gehalten und nur ein direktes Freistoßgegentor kassiert.
Vorne erwiesen sich Standardsituationen als Spezialität der Norddeutschen. 40 Prozent der – zugegebenermaßen unterdurchschnittlich wenigen – Treffer fielen in der Vorsaison nach ruhendem Ball, ligaweit der dritthöchste Anteil.
Schwächen
2014/15 war aus Hamburger Sicht geprägt von einer überaus dürftig agierenden Offensivabteilung. 25 Saisontore bedeuteten den schlechtesten Wert in der Vereinsgeschichte und die viertschlechteste Bilanz aller Klubs seit Gründung der 1. Bundesliga im Jahr 1963. Nur jeder 17. Schuss fand seinen Weg ins gegnerische Gehäuse, kein anderes Team brauchte so viele Anläufe.
Im Hinblick auf die fehlende Kreativität belastete Hamburg in erster Linie die Suche nach dem richtigen Zehner. Ein Vakuum, das den Beinaheabsteiger bis in die Vorbereitung begleitete.
Des Weiteren machte die schlechte Staffelung im Mittelfeld ein ums andere Mal zu schaffen, zwölf Kontergegentore markierten auch hier den letztjährigen Höchstwert in der Beletage. Nichtsdestotrotz ist anzumerken, dass sich die Mannschaft mit dem unter Labbadia erstarkten Gojko Kacar einigermaßen stabilisierte.
Sportliche Führung
Auf kaum einen Verein lässt sich der Begriff des Trainerkarussells besser anwenden: Beim Hamburger SV blickt der aktuelle Übungsleiter Bruno Labbadia auf 15 Vorgänger in den letzten zehn Jahren zurück – inklusive sich selbst. Dass er im April dieses Jahres obendrein als vierter HSV-Chefcoach innerhalb einer Saison anheuerte, setzte dem Ganzen die Krone auf.
Obwohl der Klub ihn 2010 als Trainer gefeuert hatte, nahm der ohnehin in Hamburg lebende Labbadia gute fünf Jahre später als Feuerwehrmann auf dem Trainerstuhl Platz. Jetzt steht er für Hoffnung, scheint genau der Richtige zu sein für den Job, den taumelnden Dino in sichere Gewässer zu steuern. Seit er wieder das Ruder in der Hand hält, predigt er glaubhaft Hingabe und Demut.
Testspiele: Strategieumstellung
Der sechsfache Deutsche Meister bereitete sich in acht Testspielen mit regulärer Spieldauer (36:6 Tore) und zwei 45-minütige Partien im Rahmen des Telecom Cup 2015 – Hamburg gewann die Trophäe – auf die Saison vor. Von den Probeläufen ging lediglich einer (0:2 gegen Arminia Bielefeld) richtig daneben.
Optimistisch stimmt indes, dass Labbadia mittels modifizierter Strategie (4-3-3 mit zwei Dreierreihen) womöglich eine Lösung für das Zehner-Problem gefunden hat. Insbesondere der im letzten Jahr enttäuschende Lewis Holtby präsentiert sich bis hierhin auf dem Platz sehr auffällig und findet offenbar Gefallen am veränderten System, in dessen Rahmen auf eine starre Positionsbindung verzichtet wird.
In den Reihen der Hanseaten findet sich mit Schipplock zwar der beste Testspieltorschütze aller Vereine, die zehn Treffer erzielte der 26-Jährige aber noch für den ehemaligen Arbeitgeber Hoffenheim. An der Spitze der diesbezüglich bereinigten HSV-Torschützenliste stehen Pierre-Michel Lasogga und Holtby mit je fünf Treffern; Ahmet Arslan und Ivo Ilicevic haben einen Treffer weniger auf dem Konto.
kicker-Managerspiel
Einen Spieler vom HSV zu verpflichten ist sicherlich aufgrund des Abschneidens in den letzten Jahren mit einigem Risiko verbunden. Dennoch gibt es einige Kandidaten, die durchaus eine Überlegung wert sind.
Zum Beispiel Gideon Jung, der in der Vorbereitung durchaus überzeugen konnte und sich für 300.000 Euro zum echten Schnäppchen entwickeln könnte. Aus der Abwehr könnte für 2.200.000 € auch Emir Spahic eine Überlegung wert sein - der 34-Jährige ist als Fixpunkt für die Abwehr eingeplant.
Im Mittelfeld ist der Punktegarant aus den letzten Spielen der Saison interessant: Gojko Kacar kostet gerade einmal 1.000.000 Euro, holte in nur sieben Spielen in der Startelf 41 Punkte.
Fazit
Für Labbadia ist Hamburg schon vor langer Zeit bei fünf vor zwölf angekommen: "Wenn man jetzt nicht schafft, Kontinuität in den Verein zu bekommen, […] dann wird es schwierig, diese jemals zu erreichen", prophezeit der Coach.
Vorgabe kann nach zwei Relegationsteilnahmen nur sein, eine Saison ohne Abstiegs- und Trainerchaos zu bestreiten. Auch Labbadia will keine konkreten Ziele in Form eines Tabellenplatzes formulieren. Für die erhoffte Teamstabilität könnte Spahic sorgen, zumindest in sportlicher Hinsicht ist seine Verpflichtung über jeden Zweifel erhaben. Andererseits müssen sich die neuen Eckpfeiler der Mannschaft womöglich erst noch in einem allmählichen Prozess herausbilden.




dieser Jahr wird es wieder nix mit dem Absteig, Darmstadt, Ingolstadt und Hannover sind in meinen Augen deutlich schlechter, vom Kader her, sowie auch spielerisch. Der HSV hat ein paar gute Transfers getätigt, Spahic wird die defense stabilisieren und Grego und Schippe werden vorne für mehr Gefahr und Rotation sorgen...
Sehr gute Analyse!